In einer zunehmend von Digitalisierung und Nachhaltigkeit geprägten Welt hat sich die Additive Fertigung (Additive Manufacturing, AM) von einem Innovationsimpuls zu einer industriellen Schlüsseltechnologie entwickelt. Diese zentrale Botschaft prägte den Experten-Workshop der Modellfabrik Prozessdaten, welche an der GFE Schmalkalden angesiedelt ist, und unter dem Thema stand: „Schicht für Schicht zu mehr Wertschöpfung – Potenziale additiver Technologien im modernen Fertigungsumfeld“.
Der Workshop war nicht nur thematisch zukunftsweisend – er markierte zugleich die erste Veranstaltung unter der Leitung des neuen GFE-Geschäftsführers Martin Voigt. In seiner Begrüßung betonte Voigt die strategische Relevanz der additiven Fertigung für die Weiterentwicklung industrieller Prozesse und positionierte die GFE als Impulsgeberin für anwendungsorientierte Forschung und technologische Integration.
Mit Teilnehmenden aus 17 Unternehmen bot die Veranstaltung eine interdisziplinäre Plattform zum Austausch über den aktuellen Stand, technologische Entwicklungen sowie industrielle Anwendungen der additiven Fertigung. Fachleute aus Wissenschaft, Technik und Industrie diskutierten gemeinsam, wie AM bestehende Produktionsprozesse transformiert und neue Potenziale erschließt. Joanna Izdebski von unserer Modellfabrik Prozessdaten hat für Sie die spannendsten Informationen zusammengefasst.
Was macht Additive Fertigung besonders?
Im Gegensatz zu subtraktiven Verfahren, bei denen Material abgetragen wird, erfolgt die Herstellung bei der additiven Fertigung durch schichtweises Aufbauen – basierend auf digitalen 3D-Konstruktionsdaten. Gängige Verfahren sind beispielsweise das Pulverbettverfahren für metallische Werkstoffe, das Fused Deposition Modeling (FDM) für Kunststoffe sowie moderne Ansätze wie das Multi Material Jetting (MMJ). Diese Technologien ermöglichen die Umsetzung hochkomplexer Geometrien, die mit konventionellen Verfahren nicht oder nur mit großem Aufwand realisierbar wären.
Zentrale Vorteile der additiven Fertigung gegenüber traditionellen Verfahren:
- Gestaltungsfreiheit: Auch organische Formen und innenliegende Strukturen können direkt gedruckt werden
- Materialeffizienz: Es wird ausschließlich das benötigte Material verwendet – Abfall wird signifikant reduziert
- Individualisierung: Ideal für Prototypen und Kleinserien – besonders relevant in der Medizintechnik und Luftfahrt
- Funktionale Integration: Verschiedene Materialien oder Funktionen lassen sich in einem einzigen Fertigungsschritt vereinen
Der Wohlers Report 2024 weist für das Jahr 2023 ein weltweites Marktvolumen von 22,2 Milliarden US-Dollar aus – ein Wachstum von 19,5 % gegenüber dem Vorjahr. Für das Jahr 2030 wird ein Volumen von über 60 Milliarden US-Dollar prognostiziert, wobei Europa voraussichtlich mehr als ein Viertel dieses Marktes ausmachen wird. Besonders dynamisch ist das Wachstum in der Luft- und Raumfahrt, Automobilindustrie, Medizintechnik und Energiewirtschaft.
Auch aus ökologischer Perspektive bietet AM Vorteile: Reduzierter Energieverbrauch (bis zu 25 %) und minimale Materialverluste machen es zu einer Schlüsseltechnologie für ressourcenschonende Produktion im Kontext globaler Herausforderungen.
Quelle: © Michael Reichel /arifoto.de
Impulse aus Wissenschaft und Praxis
GFE als Bindeglied zwischen Forschung und Industrie
Im Rahmen des Workshops wurden von der GFE verschiedene Beispiele für den Einsatz additiver Fertigung präsentiert. Dazu gehörten metallische Funktionsbauteile mit integrierter Kühlung, geometrisch optimierte Werkzeuge sowie transparente Polymer-Prototypen, die zur Veranschaulichung komplexer Innenstrukturen genutzt werden. Die gezeigten Exponate verdeutlichten die Möglichkeiten additiver Verfahren in Kombination mit konventionellen Fertigungsprozessen.
Pionierarbeit im Multi-Material-Druck
Ein besonderes Highlight war der Beitrag eines jungen Technologieunternehmens, das als Spin-off des Fraunhofer IKTS hervorgegangen ist. Der Schwerpunkt liegt auf dem Multi Material Jetting (MMJ) und der Verarbeitung von bis zu sechs unterschiedlichen Materialien gleichzeitig, darunter Keramiken, Metalle und Polymere.
Die eingesetzten Drucksysteme arbeiten mit nanolitergenauer Dosierung hochgefüllter Thermoplaste, die unmittelbar ausgehärtet werden. Materialwechsel sind alle 200 Mikrometer möglich – das erlaubt die Herstellung von Bauteilen mit gezielt variierenden Materialeigenschaften. Veranschaulicht wurde dies durch ein Bauteil für Raumfahrtanwendungen, bei dem leitfähige und isolierende Materialien ohne zusätzliche Montageschritte kombiniert werden. Potenzielle Anwendungsfelder reichen von Triebwerkstechnik über bioaktive Implantate bis hin zur Mikrosensorik.
TU Ilmenau: Auftragsschweißen mit Lichtbogen
Während viele AM-Verfahren auf kleinere, hochpräzise Komponenten ausgelegt sind, eignet sich das DED-Arc-Verfahren besonders für großvolumige Bauteile. Dieses Verfahren – auch bekannt als Lichtbogen-Draht-Auftragschweißen oder Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM) – zeichnet sich durch kostengünstige, flexible Anlagentechnik aus. Mittels Lichtbogenschweißtechnik und robotergestützter bzw. CNC-basierter Handhabung lassen sich Bauteile effizient und wirtschaftlich herstellen.
Additive Fertigung aus Anwendersicht
Ein mittelständisches Unternehmen aus dem Bereich Sensortechnik berichtete beim Workshop aus der Praxis. Das KMU fertigt Sensoren zur Substanzdetektion sowie für die Material- und Umweltanalytik. In diesem Kontext sind flexible, kosteneffiziente Gehäuselösungen erforderlich. Die additive Fertigung nach dem FDM-Prinzip (Fused Deposition Modeling) bietet sich hier besonders für Kleinserien, Einzelteilfertigung und Prototypen an. Aufgrund der geringen Produktionskosten und der schnellen Umsetzung vom CAD-Modell zum Bauteil ist das Verfahren ideal. Überall dort, wo eine Maßhaltigkeit von ±0,2 mm genügt und Spritzguss wirtschaftlich nicht realisierbar ist, stellt FDM eine effektive Lösung dar.
Additive Fertigung – Ein Blick in die Zukunft
Der Workshop verdeutlichte eindrucksvoll die wachsende Relevanz von AM in unterschiedlichen Industriebereichen:
- Luftfahrt: Additive Fertigung reduziert das Bauteilgewicht signifikant – etwa Bauteile, die zuvor aus 20 Einzelteilen bestanden, werden nun als einteiliges AM-Bauteil mit 25 % Gewichtsersparnis gefertigt.
- Automobilindustrie: Additive Fertigung wird für Prototypen und zunehmend auch Serienteile eingesetzt, mit Gewichtseinsparungen von bis zu 60 %.
- Medizintechnik: Additive Fertigung ermöglicht patientenspezifische Implantate mit mikrometergenauer Passform – der Marktwert überstieg 2023 die Marke von 3 Milliarden US-Dollar.
- Energiebranche: Hochbelastbare Turbinenschaufeln und Wärmetauscher mit optimierten Innenstrukturen entstehen durch Additive Fertigung – für mehr Effizienz und Langlebigkeit.
Quelle: © Peter Rieke
Fazit: Schlüsseltechnologie für die Produktion der Zukunft
Der Workshop „Schicht für Schicht zu mehr Wertschöpfung“ verdeutlichte eindrucksvoll, dass die Additive Fertigung keine technologische Modeerscheinung ist, sondern ein strategisches Instrument für zukunftsorientierte Industrieunternehmen. Ob gewichtsoptimierte Flugzeugkomponenten, patientenspezifische Implantate oder energieeffiziente Infrastrukturlösungen – Additive Fertigung bietet konkrete Antworten auf gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen der industriellen Fertigung.
Die Technologie ermöglicht signifikante Einsparungen bei Materialverbrauch, Energieeinsatz und Entwicklungszeit – und eröffnet zugleich konstruktive Freiheiten, die mit konventionellen Verfahren nicht realisierbar sind. Für Unternehmen, die in einem dynamischen Marktumfeld wettbewerbsfähig, innovationsgetrieben und nachhaltig agieren möchten, ist Additive Manufacturing längst ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Fertigungsstrategien.
Gleichzeitig zeigt sich, dass das volle Potenzial additiver Technologien oftmals erst durch die Kombination mit subtraktiven Verfahren ausgeschöpft werden kann. Die sogenannte hybride Fertigung – das gezielte Zusammenwirken additiver und spanender Prozesse – stellt einen entscheidenden Schlüssel für die industrielle Skalierung dar. Denn während die additive Fertigung hinsichtlich Geometrie- und Funktionsintegration überzeugt, sind bei Toleranzanforderungen, Oberflächengüte oder spezifischen Funktionalisierungen häufig konventionelle Nachbearbeitungsschritte erforderlich. Die Integration in ein präzises Nullpunktspannsystem ermöglicht dabei effiziente und wiederholgenaue Bearbeitungsprozesse.
Hier positioniert sich die Modellfabrik Prozessdaten an der GFE Schmalkalden e.V. als zentraler Akteur: Als anwendungsnahes Technologiezentrum in Thüringen bildet sie die gesamte hybride Prozesskette ab und versteht sich als kompetenter Partner insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der Region. Die gezielte Verknüpfung beider Fertigungswelten steigert nicht nur die funktionale Qualität additiv gefertigter Bauteile, sondern trägt auch zur Kostenreduktion und Marktfähigkeit bei.
Die Modellfabrik und ihre Partner demonstrieren eindrucksvoll: Die industrielle Fertigung von morgen wird nicht mehr subtraktiv dominiert – sie entsteht additiv. Schicht für Schicht.
Haben Sie Fragen zum Thema? Wenden Sie sich gern an:
Joanna Izdebski
Modellfabrik Prozessdaten
Telefon: +49 3683 6900-19
E-Mail: izdebski@kompetenzzentrum-ilmenau.de
Das Titelbild des Beitrags zeigt im Hybriddruck gefertigte Werkzeugaufnahmen in Leichtbauausführung (konventionell gefertigter Grundkörper + additiv hergestellter Aufbau). Im Inneren sind der Kühlkanal sowie die Leichtbaustrukturen zu sehen. Es handelt sich hierbei um Prototypen, mit denen es perspektivisch möglich sein wird, Zerspanvorgänge im hochdynamischen Bereich noch effizienter zu gestalten.
Bildquellen
- Schweißroboter: © Michael Reichel /arifoto.de
- Additiv gefertigte Werkstücke: © Peter Rieke
- Hybridwerkzeuge: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau