Der B2B-Vertrieb in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist häufig durch persönliche Kundenbeziehungen und individuelle Anforderungen geprägt. Gleichzeitig stehen viele KMU vor Herausforderungen wie begrenzten personellen und technologischen Ressourcen. Künstliche Intelligenz (KI) kann hier als unterstützendes Werkzeug dienen, um die Vertriebsteams zu entlasten und die Prozesse effizienter zu gestalten.
Im Rahmen des Webinars „KI im B2B-Vertrieb“ präsentierten Julian Niller, Senior Key Account Manager bei Interactive Paper, und Ulf Valentin, Partner bei Convidera, den Teilnehmern theoretische Tipps und praxisnahe Einblicke, wie KI bereits heute im Mittelstand eingesetzt werden kann.
Typische Vertriebsaufgaben, die KI schon heute unterstützt
Im Zentrum des Webinars stand zunächst die Frage: Welche Prozesse im B2B-Vertrieb können durch KI überhaupt optimiert werden, ohne die Kundenbeziehung zu gefährden? Die Antworten der Referenten zeigten hierzu ein klares Bild:
- Leadgenerierung und -qualifizierung
KI-gestützte Tools analysieren Verhaltensdaten, Brancheninformationen und Web-Tracking, um potenzielle Kunden zu identifizieren und zu bewerten. Ergebnisse ermöglichen ein datenbasiertes Lead Scoring, das die Priorisierung von Kontakten erleichtert und „die Zeit zur Leadqualifizierung von Wochen auf Tage reduziert, verrät Ulf Valentin.
- Personalisierte Ansprache
Generative KI unterstützt die Vertriebsteams bei der Erstellung zielgerichteter Texte, Präsentationen oder E-Mails, die auf die jeweilige Buyer Persona abgestimmt sind. Dies spart den Unternehmen nicht nur Zeit, sondern ermöglicht auch eine adressatengerechte Kommunikation.
- Vertriebsautomatisierung
Sprachassistenten, Chatbots und automatisierte Berichtserstellung können schon heute Routineaufgaben wie das Erstellen von Besuchsberichten oder das Abrufen von CRM-Daten per Sprachbefehl übernehmen. Auf diese Weise können Protokoll- und Dokumentationsaufwände oder Zeiten für das Verfassen von Routineantworten reduziert werden.
- Kundenbindung und After-Sales
Sentiment-Analysen in E-Mails oder Bewertungen helfen, potenzielle Abwanderungsrisiken frühzeitig zu erkennen. Gleichzeitig kann KI automatisch Serviceangebote oder Nachfassaktionen auslösen.
Forschung trifft Praxis: Herausforderungen beim KI-Einsatz
Obwohl die Potenziale vielfältig sind, bleibt der tatsächliche Einsatz von KI im Vertrieb von KMU bisher verhalten. Die im Webinar vorgestellten Studienergebnisse von Julian Niller belegen, dass nur ein Bruchteil der befragten Unternehmen KI aktiv im Vertrieb nutzt. Die Hemmnisse für den erfolgreichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz im B2B-Vertrieb liegen sowohl im technischen als auch im organisatorischen Bereich. Als Hauptgründe werden in den Experteninterviews fehlende Datenbasis, mangelnde Systemintegration und Unsicherheiten im Umgang mit KI angeführt.
Damit KI ihr Potenzial entfalten kann, müssen zudem bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu zählen insbesondere strukturierte und zentral verfügbare Kundendaten sowie ein etabliertes CRM-System als technische Grundlage. Ebenso wichtig sind die digitale Kompetenz und die Offenheit der Mitarbeitenden im Vertriebsteam, denn der Wandel erfordert nicht nur neue Werkzeuge, sondern auch neue Denkweisen. Schließlich spielen klare Regelungen zu Datenschutz und Datenhoheit eine zentrale Rolle, um Vertrauen in die Technologie zu schaffen und rechtliche Rahmenbedingungen einzuhalten.
Im Dialog mit den Teilnehmenden des Webinars wurde zudem deutlich: Viele kleine und mittlere Unternehmen stehen beim Thema KI-Einsatz im Vertrieb noch ganz am Anfang. Das Interesse und die Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, sind jedoch groß – ein positives Signal für den digitalen Wandel im Mittelstand.
KI in der Vertriebspraxis: Empfehlungen für den Mittelstand
Die Referenten betonten, dass ein erfolgreicher KI-Einsatz nicht mit einem großen Umbau beginnt, sondern mit kleinen, skalierbaren Meilensteinen und raten zu einem schrittweisen Einstieg:
- Starten mit konkreten Use Cases, wie z. B. E-Mail-Automatisierung oder automatisierte Angebotsgenerierung.
- Nicht auf perfekte Daten warten – auch teilstrukturierte Daten lassen sich sinnvoll einsetzen.
- Pilotprojekte nutzen, um mit geringem Risiko schnellen Erkenntnisgewinn zu erzielen.
- Mitarbeitende einbinden, da Akzeptanz ein zentraler Erfolgsfaktor ist.
Die Referenten sind sich einig, dass bei aller möglichen technischen Unterstützung der Faktor Mensch unverzichtbar bleibt: „Vertrieb wird digitaler, bleibt aber menschlich“, sagt Ulf Valentin und empfiehlt, auf hybride Modelle zu setzen. Denn das Zusammenspiel aus technologischer Souveränität und datenbasierten Entscheidungen mit menschlicher Expertise und Empathie kann entscheidend zum nachhaltigen Vertriebserfolg beitragen. Während KI-gestützte Systeme Prozesse automatisieren, Daten analysieren und Informationen bereitstellen, bleibt es die Aufgabe des Menschen, Beziehungen aufzubauen, Vertrauen zu schaffen und komplexe Entscheidungen situativ zu treffen.
Gerade im B2B-Kontext könne emotionale Intelligenz, Verhandlungsgeschick und Branchenerfahrung nicht durch Algorithmen ersetzt werden, so die Referenten. Hybride Modelle, in denen Mensch und Maschine sich ergänzen, ermöglichen es hingegen auch für KMU, Effizienzgewinne zu realisieren, ohne die persönliche Komponente zu verlieren – und genau darin liegt laut Ulf Valentin das Zukunftspotenzial moderner Vertriebsstrategien.
Top Learnings aus dem Webinar
Für alle, die nicht teilnehmen konnten, sind hier noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick zusammengefasst:
- KI entlastet – ersetzt aber nicht. Besonders bei repetitiven Aufgaben ist KI ein wertvoller Helfer.
- Datenqualität ist entscheidend. Ein funktionierendes CRM ist oft die Grundlage für erfolgreiche Anwendungen.
- Niederschwelliger Einstieg möglich. Erste Erfolge sind auch mit einfachen Tools und wenigen Daten erreichbar.
- Kompetenzaufbau lohnt sich. Fortbildungen im Team und externe Unterstützung helfen, Hürden zu überwinden.
- Vertrauen fördern. Datenschutz, Transparenz und Einbindung der Mitarbeitenden stärken die Akzeptanz.
Fazit: KI als Chance für zukunftsfähigen Vertrieb
Künstliche Intelligenz kann den B2B-Vertrieb in KMU schon heute produktiver, präziser und kundenorientierter machen. Der Schlüssel liegt in der Kombination aus technologischer Machbarkeit, realistischen Erwartungen und einer schrittweisen Umsetzung. Das Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau bietet praxisnahe Unterstützung auf diesem Weg – mit Webinaren, Netzwerkgesprächen, Demonstratoren, Publikationen und individuellen Orientierungsgesprächen. Die nächste Veranstaltung aus der Webinarreihe „KI als kreative Assistenz in der Unternehmenskommunikation findet am 6. Juni 2025 von 11:00-12:30 Uhr statt. Weitere Informationen und kommende Veranstaltungen finden Interessierte auf der Website des Mittelstand-Digital Zentrums Ilmenau sowie im Digitalblog.
Bildquellen
- B2B-Vertrieb: KI-generiert