Nachlese zum 8. Teil der Webinarreihe „KI als kreative Assistenz der Unternehmenskommunikation“
Das Webinar fand am 29. August 2025 als 8. Teil der Reihe „KI als kreative Assistenz der Unternehmenskommunikation“ des Mittelstand‑Digital Zentrums Ilmenau statt. Es beleuchtete, wie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eigene, generative KI‑Lösungen – genannt GPT4YOU – entwickeln und einsetzen können. Referent Chris Ehrling – Lead Data Scientist und Head of AI Consulting bei FIDA GmbH – führte die Teilnehmenden zunächst in die Möglichkeiten einer individuellen KI ein.
Vorzüge einer individuellen KI
Wie die Big Tech-Sprachmodelle ermöglicht diese nicht nur Effizienzsteigerungen, sondern kann auch Wettbewerbsvorteile für die KMU mit sich bringen. Denn in Abgrenzung zu Standardlösungen kann sie auch genau die Probleme adressieren, die im Alltag der KMU tatsächlich Zeit und Ressourcen kosten – sei es die automatisierte Bearbeitung von Kundenanfragen, die Strukturierung und Aufbereitung interner Informationen oder die Automatisierung wiederkehrender Kommunikations- und Informationsprozesse.
Während Standardtools hierbei meist nur allgemeine Antworten liefern, kann eine eigene KI die Sprache, Fachbegriffe und Besonderheiten des Unternehmens erlernen und so insbesondere für KMU Ergebnisse liefern, die näher an den realen Bedürfnissen der Mitarbeitenden und Kundschaft liegen. Ehrling betonte, dass sich kleine und mittlere Unternehmen bei der Auswahl des Modells daher nicht von allgemeinen Schlagworten und großen Versprechungen der Tech-Branche leiten lassen sollten. Vielmehr geht es darum, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die sich eng an den individuellen Anforderungen und Arbeitsabläufen orientieren.
Quelle: ChaGPT Image 25. Juni 2025
Laut Ehrling heißt das: Unternehmen können klein anfangen – etwa mit einem Pilotprojekt im Kundenservice – und die KI nach und nach erweitern, ohne sich an die starren Systeme und Prozesse externer Anbieter binden zu müssen. Damit bietet eine maßgeschneiderte Lösung auch die Chance, flexibel mit den eigenen Ressourcen zu wachsen.
Im Hinblick auf die Datenhoheit hob er einen weiteren entscheidenden Vorzug hervor. Denn wer eine eigene KI aufsetzt, behält auch die Kontrolle darüber, welche Unternehmensdaten genutzt, verarbeitet und gespeichert werden. Das schafft Vertrauen und Sicherheit – gerade für Mitarbeiter, die der Technologie noch mit Unsicherheit begegnen. Zusammenfassend zeigt sich der Referent überzeugt: Eine eigene KI hilft KMU, den Weg von „Technologie-Hype“ zu praktischer Wertschöpfung zu gehen – und das pragmatisch, sicher und auf die tatsächlichen Unternehmensziele ausgerichtet.
Herausforderungen einer individuellen KI
Der EU AI Act bringt für alle Unternehmen, die KI-Systeme entwickeln oder einsetzen, klare Vorgaben und Verantwortlichkeiten mit sich. Gerade für KMU ist es wichtig, diese frühzeitig zu verstehen. Bei der Umsetzung einer individuellen KI bedeutet dies vor allem, dass jedes System einer Risikokategorie zugeordnet werden muss – minimal, begrenzt, hochriskant oder verboten. Unternehmen tragen die Verantwortung, ihr System korrekt zu klassifizieren und offen zu legen, wie es funktioniert.
Darüber hinaus sind eine umfassende Dokumentation und Nachvollziehbarkeit erforderlich. Auch KMU müssen Trainingsdaten, Funktionsweise und Entscheidungsprozesse lückenlos dokumentieren. Nutzerinnen und Nutzer müssen in der Lage sein, die Ergebnisse der KI nachzuvollziehen; reine „Black Box“-Systeme ohne Erklärung sind nicht zulässig.
Ein weiterer zentraler Punkt betrifft die Datenqualität und Bias-Kontrolle. Die verwendeten Daten müssen repräsentativ, fehlerarm und diskriminierungsfrei sein. KMU sind verpflichtet, aktiv gegen Verzerrungen vorzugehen und entsprechende Prüfprozesse einzurichten.
Zudem gilt eine klare Rechenschaftspflicht. Unternehmen sind rechtlich für die Auswirkungen ihrer KI verantwortlich und müssen Verfahren für Monitoring, Feedback und Korrektur bereitstellen, um Fehlentscheidungen oder Schäden frühzeitig zu erkennen und zu beheben.
Auch die Sicherheits- und Datenschutzanforderungen sind verbindlich. Eine KI darf nur eingesetzt werden, wenn sie die Vorgaben der DSGVO erfüllt. Das betrifft sowohl den Schutz personenbezogener Daten als auch die sichere Verarbeitung sensibler Unternehmensinformationen.
Für KMU ist dies eine besondere Herausforderung, da sie oft nicht über eigene Rechts- oder Compliance-Abteilungen verfügen. Sie müssen daher pragmatische Wege finden, die Vorgaben umzusetzen – beispielsweise durch standardisierte Compliance-Tools, Kooperationen oder externe Beratungen. Gleichzeitig profitieren KMU jedoch davon, dass der AI Act auch Unterstützungsmechanismen für kleinere Unternehmen vorsieht, etwa durch vereinfachte Verfahren oder staatliche Hilfsangebote.
Unterschiede in der Anwendung des EU AI Acts
Der EU AI Act unterscheidet klar zwischen Unternehmen, die KI-Systeme nur anwenden, und solchen, die eigene oder angepasste Systeme entwickeln und betreiben – wie etwa KMU mit einer individuellen KI. Reine Anwender haben damit vor allem eine Sorgfaltspflicht beim Einsatz fremder Systeme. KMU mit individueller KI gelten dagegen als Hersteller und tragen die volle regulatorische Verantwortung – von der Entwicklung über die Daten bis hin zur laufenden Überwachung. Die zentralen Unterschiede für die Rolle von KMU als „Hersteller“ lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Reine Anwender von KI-Systemen sind in erster Linie dafür verantwortlich, diese rechtmäßig, sicher und im vorgesehenen Rahmen einzusetzen. KMU, die eine eigene KI entwickeln und betreiben, gelten hingegen als Anbieter und tragen die volle Verantwortung für Konzeption, Entwicklung, Training, Dokumentation und den gesamten Lebenszyklus ihres Systems. Während Anwender zudem lediglich nachvollziehen müssen, in welche Risikokategorie das von ihnen genutzte System fällt, sind KMU mit einer individuellen KI verpflichtet, ihr System selbst korrekt einzuordnen und – je nach Einstufung – zusätzliche Prüfungen und Konformitätsbewertungen durchzuführen.
Anwender müssen darüber hinaus „nur“ sicherstellen, dass sie vom Anbieter alle notwendigen Informationen zur Funktionsweise und zu den Einschränkungen des Systems erhalten und diese an ihre Nutzerinnen und Nutzer weitergeben. KMU, die eine eigene KI entwickeln, müssen hingegen eine vollständige technische Dokumentation erstellen und pflegen, in der Trainingsdaten, Prüfverfahren und Risikobewertungen nachvollziehbar festgehalten werden. Für Anwender beschränkt sich die Verantwortung zudem darauf, die Datenanforderungen des Anbieters einzuhalten und zu prüfen, ob diese mit den eigenen rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa der DSGVO, vereinbar sind. KMU mit eigener KI sind dagegen verpflichtet, die Qualität ihrer Daten selbst sicherzustellen, Verzerrungen (Bias) aktiv zu minimieren und entsprechende Prüfprozesse in die Entwicklung einzubauen.
Des Weiteren liegt bei der Haftung die Verantwortung der Anwender vor allem im korrekten Einsatz des Systems im jeweiligen Anwendungskontext. KMU, die eine eigene KI betreiben, tragen dagegen die direkte Verantwortung für mögliche Schäden oder Fehlentscheidungen ihrer Systeme und müssen daher Mechanismen für Monitoring, Feedback und Korrektur implementieren.
Einblicke in die praktische Umsetzung
Der Lead Data Scientist und Head of AI Consulting bei der FIDA GmbH teilte mit den rund 46 Teilnehmenden wertvolle Erkenntnisse – sowohl aus seiner wissenschaftlichen Expertise als auch aus mehr als 15 Jahren Praxiserfahrung. In einer Live-Demonstration zeigte er, wie er mit verschiedenen GPT-Modellen arbeitet und welche Herausforderungen sich dabei insbesondere im Hinblick auf die Nutzung und die zugrundeliegenden Trainingsdaten ergeben.
Darüber hinaus stellte Chris Ehrling praxisnahe Einsatzfelder für eine individuelle KI vor. So kann sie etwa die automatisierte Verarbeitung interner Dokumente und Prozesse übernehmen und dadurch Arbeitsabläufe erheblich beschleunigen. Live demonstrierte er außerdem, wie KI bei Routineaufgaben unterstützt – beispielsweise beim Verfassen und Beantworten von E-Mails oder beim Erstellen von Angeboten. Ein weiteres spannendes Szenario war der Einsatz als interaktives Onboarding-Tool oder Lernbegleiter, der Mitarbeitende bei der Einarbeitung unterstützt und Wissen genau dann bereitstellt, wenn es gebraucht wird.
Den Teilnehmenden riet Chris Ehrling, die Auswahl und Einführung unbedingt strukturiert anzugehen. Zunächst sollten sie einen Workshop oder ein Pilotprojekt planen, um konkrete Einsatzfelder wie den Kundenservice oder das Dokumentenmanagement zu identifizieren. Hierbei macht es Sinn, schon interessierte Mitarbeiter aus den betroffenen Bereichen einzubinden. Anschließend gilt es, die eigene Datenstruktur zu prüfen und darauf basierend die passenden Tools auszuwählen. Wichtig sei zudem, klein zu starten – mit einem überschaubaren Projekt – und die Lösung GPT4YOU Schritt für Schritt auszubauen, sodass sie nachhaltig im Unternehmen verankert werden kann.
Zentrale Learnings
Die Key-Learnings des Webinars können wie folgt zusammengefasst werden:
- KI-Projekte sind keine IT-Projekte – der Mensch steht im Mittelpunkt, nicht allein der Prozess.
- Nutzerzentrierter Mehrwert vor Technik – der Fokus liegt auf praktischen Lösungen statt auf Spielereien.
- Businessverständnis ist entscheidend – Entwicklerinnen und Entwickler brauchen ein tiefes Verständnis des Geschäftskerns, bevor Daten genutzt und modelliert werden.
- Datenbasis prüfen – zunächst analysieren, welche Daten bereits vorhanden sind und wie sie sinnvoll eingesetzt werden können.
- Klare Vorgehensweise – erfolgreiche KI-Einführung erfordert einen strukturierten Ablauf: Ziele > Tools > Daten.
- GPT4YOU macht KI für KMU real – dieser Schritt kann Ängste bei Mitarbeitenden auslösen, weshalb ein klarer Begleitprozess notwendig ist.
Kommende Webinar-Termine zur Vertiefung
In den kommenden Wochen wird das Thema in verschiedenen Webinaren vertieft:
- KI-Pioniere in Aktion: Erfahrungsbericht zur Chatbot-Integration
Datum: 12. September 2025, 11:00–12:30 Uhr
Dr. Frank Nussbaum von der Jenoptik AG gewährt spannende Einblicke in den unternehmensinternen Einsatz eines Chatbots – von der Ideenphase über die technische Integration bis hin zur strategischen Umsetzung. Die Teilnehmenden erhalten sowohl praxisnahe Learnings zu Chancen und Grenzen des KI-Einsatzes als auch Gelegenheit zur Reflexion eigener Anwendungsfälle. Weitere Informationen und Anmeldung
- KI-Pioniere in Aktion – Eigene Tools zur Visualisierung von Daten bauen
Datum: 2. Oktober 2025, 11:00–12:30 Uhr
Robert Falkenstein, Projektleiter beim Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk (Standort Bayreuth), stellt vor, wie man mit KI-basierter Datenanalyse und Visualisierung interaktive Dashboards und automatische Diagramme erstellt. Dabei wird deutlich, wie solche visuellen Tools Entscheidungsprozesse beschleunigen und komplexe Zusammenhänge verständlich machen. Weitere Informationen und Anmeldung
- KI-Pioniere in Aktion: Ask my own GPT
Datum: 14. November 2025, 11:00–12:30 Uhr
Jacqueline Althaller präsentiert das Projekt „Ask my social GPT“ – einen maßgeschneiderten GPT‑Bot, der auf 15 Jahren empirischer Forschung zur B2B‑Social‑Media‑Kommunikation basiert. Sie teilt die Hintergründe der Tool-Entwicklung und deren Integration in die Agenturpraxis und ermöglicht den Teilnehmenden, das System live mit eigenen Fragen zu testen. Weitere Informationen und Anmeldung
Warum sich Ihre Teilnahme an diesen Terminen lohnt:
- Die Teilnehmenden erhalten praxisorientierte Einblicke in konkrete KI-Anwendungen, von Chatbots bis Visualisierungslösungen.
- Die Veranstaltungen nutzen interaktive Formate mit Live-Demos und Reflexions-Elementen für unmittelbares Learning.
- Die Referenten liefern vielfältige Perspektiven – von der einfachen Technologieintegration über datenbasierte Entscheidungsunterstützung bis zum Training des eigenen GPT-Bots.
Alle Veranstaltungen zu KI in der Unternehmenskommunikation gibt´s hier.
Bildquellen
- GENERATIVE KI IM BÜRO: ChaGPT Image 25. Juni 2025
- Was ein GPT4you leisten kann: KI-generiert mit ChatGPT